Menschen halten seit schätzungsweise 30.000 Jahren Hunde. Ich seit 3 Jahren. Mir fehlen also 29.997 Jahre in der Evolution. Das ist auch der einzig sinnvolle Grund, warum ich einen Otto und einen Diesel habe. Erfahrene Menschen halten Hunde, die sich vom Typ oder Charakter ähneln. Ich hatte keine Erfahrung, anders ist dieses Gespann nicht zu erklären. Gesunder Menschenverstand sieht anders aus.
Otti ist ein Terrier, wie er in jedem Buch über Terrier beschrieben wird. Jagdterrier-Schnauzer-Kampfdackel-sonstiger-Mix mit allen dazugehörigen Verhaltensweisen von Lebhaftigkeit bis Wachsamkeit. Hundetrainer Uwe schlug bei der Vorstellung die Hände über dem Kopf zusammen, wie man sich (O-Ton) „ein solches Kaliber als ersten Hund überhaupt zulegen kann?“
Diesel ist laut Zuchtpapieren, Wesenstest und Rassegutachten sowie seinem Äußeren nach ein Mini Bulli. Aber Papier ist geduldig, Optik kann täuschen. Von der vielbeschriebenen Wildheit oder Verspieltheit kaum eine Spur. Als es um die Verteilung von Bulli-Charakterzügen in Diesels Wurf ging, hat dieser Hund in der Ecke gelegen und geschlafen.
Das ist seine Lieblingsbeschäftigung.
Otti & Diesel sind also ein Team, wie es gegensätzlicher kaum sein könnte.
Gassi gehen? 30 Meter vor mir – „boah, riech mal hier … oder hier“ – hüpfend und tanzend Otti, 30 Meter hinter mir – „oh, ein süßer kleiner Schmetterling“ – schleichend oder stehend Diesel und in der Mitte ich. Bei Sonnenschein legt sich der Bulli schon mal zum Dösen auf den Gehweg und mag dann abgeholt werden. Spaziergänge ohne Leine sind eine Herausforderung. Besonders bei zu hohen oder zu niedrigen Temperaturen, bei Regen, bei Schnee, in Dunkelheit, in fremder Umgebung oder bei Sonnenfinsternis hinter der Venus.
Irgendwas ist immer.
Einbrecher würden aufgrund vollkommener Fehleinschätzung der Lage Gliedmaßen einbüßen. Denn nicht der als Wachhund gänzlich untaugliche Bullterrier, sondern der ach so süße Otti geht allein schon bei der Türklingel hoch wie eine Sylvester-Rakete, nur um bei einem fremden Gesicht in der Tür endgültig in allen Farben zu explodieren. Und wenn es ein bekanntes Gesicht ist, explodiert man eben vor Freude.
Hauptsache laut.
Diesel dagegen sitzt und erhofft sich währenddessen eine Streicheleinheit. Alle Menschen sind nett. Das geht dann so weit, dass man sich schon mal von einem 1 1/2jährigen am brechend vollen Flughafen einen Schnuller zwischen die Kiefer schieben lässt, nachdem der die Bulli-Lefzen bis auf Anschlag in gegensätzliche Richtungen gezogen hat. Das von Zuschauern durch den Kampfhund erwartete Blutbad blieb jedoch aus. Dennoch war das Rote Kreuz schnell vor Ort, um aufgrund dieses Schauspiels ohnmächtige Frauen wieder zurück ins Leben zu holen.
Und auch sonst sind die Hunde unterschiedlich wie Tag und Nacht, die Schöne und das Biest oder Batman und der Joker.
Unwohlsein? Diesel jault und springt an der Tür, wenn die Poperze brennt, Hauptsache runter. Otti kackt heimlich, still und leise ins Bad, merkt ja keiner.
Futter? Otti schlingt wie zur Cheeseburger Rabatt-Woche bei McDonalds, Diesel legt das Serviettchen an und genießt jeden Bissen. Jede Mahlzeit ist ein exquisites 5-Gänge-Gourmet-Menü.
Nachtruhe? Otti zieht sich in die Box zurück, bei Diesel hingegen scheint es darin zu spuken. Also lieber eng angekuschelt im Bett liegen.
Rennen und Toben? Otti ist der Gejagte und Diesel jagt – zumindest 17 Sekunden lang. Ab da werden Abkürzungen gesucht, um dem Terrier den Weg abzuschneiden. Ist ja auch viel effizienter als sich sinnfrei auszupowern.
Wie ich das auch drehe und wende, ich habe ein seltsames Paar. Aber jeder der beiden ist genau der Hund, den man sich als Halter wünscht. Und ich habe gleich zwei davon. Mein eigenes, ganz spezielles Rudel.
Wenn mir die gute Fee nochmal erscheint, fordert sie diesmal bestimmt einen Wunsch zurück.