Treffpunkt Tierarztpraxis, 10.00 Uhr vormittags. Nach der diesmal kurzen Anmeldeprozedur und einem vollkommen leeren Wartezimmer öffnet sich die Tür zum Behandlungsraum und Frau Freudenthal empfängt uns. Diesmal ist sie mit sechs Katzen und vier Hunden aus dem Tierschutzverein anwesend, die alle vermittelt und vorher noch durchgecheckt und geimpft werden.
„Ich muss mich noch um die Katzen kümmern, können sie den mal kurz halten?“ Uns wird das Plüschtier Gumel, das jetzt Poldi heißt, in die Hand gedrückt. Endlich können wir uns den mal in Ruhe aus der Nähe anschauen, was den Hund aber in keiner Weise interessiert. Völliges Desinteresse seinerseits, weder schnuppern noch sonst eine Reaktion. Mir wird mit einem Male bewusst, dass Cesar Millan recht hat:
Du bekommst den Hund, der dich weiterbringt.
Deswegen haben wir die Herausforderung Otti und nicht Gumel bekommen. Trotzdem freut es uns zu hören, dass das Sofakissen offensichtlich doch gut angekommen ist, denn der neue Besitzer, der Gumel/Poldi erst gar nicht so toll fand, übergab ihn mit den Worten an Frau Freudenthal: „Sie bringen mir aber meinen Hund sofort wieder, oder?“ Also doch ein Happy End nach Schwierigkeiten zu Beginn?*
Wir bekommen unseren Pflegevertrag. Dieser sieht vor, dass wir uns um Otti zu kümmern haben, ihn füttern und ihn ordentlich unterbringen müssen. Weiterhin dürfen wir ihm keinen Schaden zufügen. Offensichtlich hatte Otti den Vertrag schon auf der Fahrt von Polen nach Berlin gelesen, denn bisher hat der noch nichts angeknabbert oder uns sonst einen Schaden verursacht. Außerdem weist uns Frau Freudenthal darauf hin, dass Otti trotz Pflegestelle und direkter Ablieferung bei uns auf die Website des Tierschutzvereins unter „Zuhause gesucht“ gesetzt werden muss. Nach einer kurzen Unterschrift geht es in das Behandlungszimmer und wie immer ist die komplette Belegschaft von Otti verzückt. Bis der Hund sein letztes Antibiotika gespritzt bekommen soll.
Ich weiß, dass man seinen Hund nicht bestärken soll, wenn er Angst hat. Trotzdem habe ich Tränen in den Augen, als der beim Spritzen erbärmlich jault und danach auf den Boden gesetzt wird. Dort winselt mein Otti weiter und versucht sich die Einstichstelle zu lecken. Ich will zu ihm, als mich von hinten Frau Freudenthals resolute Stimme davon abhält. „Nicht trösten!“ Ich erstarre in der Bewegung und Otti flüchtet winselnd in den angrenzenden Raum zur Aufnahme. „Keine Sorge, der gibt nur an!“ Na gut, wenn sie das sagt, wird es wohl stimmen. Außerdem macht mich doch ein wenig stutzig, dass Terrier angeblich so schmerzunempfindlich sein sollen. Ist Otti also doch nur das Kaninchen im Hundepelz? Mimikry – tarnen und täuschen? Tu mir nichts, ich bin ein gaaanz gefährlicher Terrier?! Kurze Zeit später ist der Spuk vorbei und Otti lässt sich von Leckerlies dazu verleiten, sein Versteck zu verlassen. Nächster Termin kommenden Donnerstag zur abschließenden Tollwutimpfung. Der arme Hund.
*Seit 13.07.2013 ist Gumel/Poldi vermittelt. Nach anfänglicher Zurückhaltung hat sich der jetzige Besitzer dazu entschieden, den Hund zu übernehmen.