Zwingerbau in Heimarbeit

Um 6.57 Uhr werde ich im Bett durch übermütige Freudensbekundungen seitens Otti geweckt. Andrea ist schon aus dem Haus und gleich klingelt ohnehin mein Wecker. Bis hierhin also nichts Ungewöhnliches. Als ich jedoch schlaftrunken die Treppe herunter torkele, werde ich vom Hund überholt, der mit einem anmutigen Satz über das auf der ersten Stufe angebrachte Hindernis springt, der jedem Turnierpferd zur Ehre gereicht hätte. Flughöhe 1,24 Meter, Flugweite Luftlinie 5,97 Meter. Eigentlich sollte der provisorisch aufgestellte Karton auf dem Treppenabsatz Otti bereits daran hindern, nach oben zu kommen.

Wir müssen nach Wittenau zum MRT, ein Termin, der ungefähr zwei Stunden dauert und zu dem wir Otti definitiv nicht mitnehmen können. Der Hund muss zu Hause bleiben, darf aber auf keinen Fall in die obere Etage, da hier meine unbezahlbare Videospielsammlung steht. Ich kann einfach nicht riskieren, dass teure Konsolen und deren Joypads, seltene Spiele oder unwiederbringliche Sammlerstücke Otti bei der Frustrationsbewältigung durch Zerkauen zum Opfer fallen. Wenn er also unten das Hindernis umgeht, muss ich eben oben entsprechende Sicherungsmaßnahmen ergreifen. Kurzerhand schiebe ich ein Regal vor die Treppe, kein Durchkommen für den Hund. Bleiben noch vier weitere Räume.

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Das Katzenklo verschwindet übergangsweise mitsamt Katzen im Wohnzimmer, Bad, Arbeits- und Kinderzimmer werden ebenfalls verschlossen. Schuhe und sämtliche losen Gegenstände werden eingeschlossen. Der Flur gleicht einer uneinnehmbaren Festung und wenn Otti nicht Hundini den Entfesselungskünstler in seiner Ahnengalerie hat, sollte er gefangen sein und auch bleiben. Dennoch installiere ich vorsichtshalber noch meine devolo-Überwachungskamera, um notfalls meine Nachbarin zu informieren, die im Besitz eines Wohnungsschlüssels ist. Wie einstmals Heß in Spandau sitzt Otti im Flur fest, ohne reelle Chance auf Selbstbefreiung. Einzig meine getragene Trainingsjacke, ein Ball, ein Kauspielzeug und ein Plüschtier leisten ihm Gesellschaft.

Das tun sie auch noch, als wir 1:43,56 Stunde später wieder eintreffen. Unversehrt! Und auch die Tapete klebt noch an den Wänden. Darauf lässt sich aufbauen.

 

4 Gedanken zu „Zwingerbau in Heimarbeit“

  1. Grandios (be)- geschrieben…
    Habe Ihren Artikel komplett lesen „müssen“ und viel geschmunzelt…
    Sie verstehen es, einem Mut zu machen und sich für einen Hund zu entscheiden…
    – und zu hoffen, daß er „Otti – Qualitäten“ hat…
    Vielen Dank und alles Gute für Ihren Clan…
    C.H.

    1. Otti hat Qualitäten … in beide Richtungen 😉
      Er schafft es täglich mich neu zu verblüffen, im Positiven, aber auch gelegentlich im Negativen. Aber dafür ist er eben noch so jung und ich muss täglich dran bleiben. Ich denke, dass in jedem Hund eigene „Otti-Qualitäten“ stecken, man muss nur die Geduld mitbringen, die langsam heraus zu arbeiten.

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